„Ein Traumberg erhebt sich über den Tälern der nördlichen Cordillera Blanca, wie ihn nur Kinder zu zeichnen wagen, die noch nie einen Berg gesehen haben. Das ist der Alpamayo nicht Traum, sondern Wirklichkeit. Von der einen Seite sieht man ihn als ebenmäßige Pyramide emporsteilen, deren Schenkel mit riesigen Wächten behangen sind. Das andere Gesicht des Alpamayo, die trapezförmige Südwestwand, ist noch schöner: Durch das Zusammenwirken der fast senkrecht herabbrennenden Tropensonne am Mittag und der aufsteigenden, feuchten Luftmassen aus dem Urwald wurde die Wand mit feinem Riffelfirn überzogen. So sieht der Berg von dieser Seite wie eine weiße Kathedrale aus“ (Günther Hauser, Erstbesteiger – Quelle: Wikipedia).

Oder: 6 Tage für einen Gipfel.

Claudia und ich sorgten mit der Besteigung des Alpamayo, welcher seit 1966 als vermeintlich „schönster Berg der Erde“ gilt, für den krönenden Abschluss unserer Peru Reise.

Mit unserem gesamten Gepäck verlegten Claudia und ich unser „Basislager“ von Huaraz ins kleine, verschlafene Örtchen Caraz. Zuvor deckten wir uns aber am Mercado mit ausreichend Lebensmittel ein, denn der Alpamayo ist vielleicht der abgelegenste Berg der gesamten Cordillera Blanca und nur zu Fuß erreichbar.

Am Dienstag bestiegen wir wiedermal ein berühmt berüchtigtes Collectivo: Ein alter Toyota Corolla wurde vom Fahrer mit 6 Passagieren vollgestopft und anschließend die 1000 Höhenmeter hinauf nach Cashapampa gequält. An die fehlenden Leitplanken der ausgesetzten, teilweise abgemurten, einspurigen Schotterstraßen haben wir uns mittlerweile auch schon fast gewöhnt.

Am Ende der Straße in Cashapampa beginnt der Fußweg ins Santa Cruz Tal. Hier befindet sich auch ein kleiner Holzkiosk, in dem ein Nationalparkbeamter seinen Dienst versieht. Gottseidank schien der Ranger seinen Job noch nicht allzu lange zu machen, denn er glaubte uns, dass unser Wochenticket vom Pisco noch lange genug gültig sei. Kurze Zeit später hatten wir auch schon einen Eseltreiber organisiert: Amador, 36 Jahre alt, Single und seineszeichen staatlich geprüfter Eseltreiber und Lastenträger. Nach den Gehaltsverhandlungen (125 Soles pro Tag) verabschiedete er sich eine Stunde lang zum Lebensmittel shoppen und Esel einfangen. Wir lauschten währenddessen der unglaublich nervigen, fast chinesisch klingenden Volksmusik, welche aus Amadors Lehmhäuschen schallte.

Nachdem wir unser Gepäck eselgerecht auf vier gleich schwere Pakete verteilt hatten, gingen wir schließlich los. Cashapampa liegt auf ungefähr 2900 m und das heutige Tagesziel Llamacorral 900 m höher. Mit leichten Rucksäcken schlenderten wir das schmale Tal hinauf und hatten das große Glück zwei Kondore ganz nah zu sehen. Nach drei Stunden wird das Tal flacher und ein bisschen weiter. Schließlich gelangt man zu einer kleinen Steinhütte mit dazugehörigem Holzkiosk in dem die ansässige Hirtenfamilie Snacks und Getränke an die vielen Wanderer und Bergsteiger verkauft. Hier, in Llamacorral, schlugen wir unser erstes Lager auf.

Am nächsten Tag ging es dann in Richtung Basislager weiter. In den ersten Stunden der Wanderung macht man quasi keinen einzigen Höhenmeter, denn man spaziert am Ufer eines Sumpfes und später der Laguna Jatuncocha entlang. Am Ende des großen Sees staunten wir nicht schlecht, als sich die sonst grüne Landschaft in eine wüstenartige Gegend verwandelte. Hier ging laut Amador vor einem halben Jahr eine riesige Mure ab, welche das saftige Gras unter sich begrub. Viele Kühe scheinen diese Tatsache allerdings immer noch nicht wahr haben zu wollen und stehen etwas verwirrt blickend mitten in dieser kleinen Sandwüste. Auch für uns hatte diese Mure ungute Auswirkungen, denn im tiefen Quarzsand geht es sich nicht besonders gut.

Das Wetter war heute ausnahmsweise auch nicht sehr freundlich, aber die kurzen Regenschauer aus den tief hängenden Wolken passten auf eine dramatische Art und Weise zur trostlosen Landschaft.

Am Ende der Sandwüste zweigt der Weg nach links ab und gewinnt in vielen Serpentinen rasch an Höhe. Bald ergattert man einen ersten Blick auf das Objekt der Begierde: den Alpamayo. Das Basislager liegt idyllisch in einem kleinen Wald und bietet wieder den Komfort eines kleinen Getränkekiosks. Da Amador ja wie bereits erwähnt auch professioneller Porter ist, bot er uns an den größten Teil unserer Ausrüstung zumindest bis zum Beginn des Gletschers zu tragen. Für den weiteren Weg hatte er leider nicht das passende Schuhwerk dabei.

Am Donnerstag um 5 Uhr früh brachen wir so zu dritt  auf, mit dem Ziel, in einem Tag zum Hochlager auf 5400 m zu gelangen. Das Moränenlager auf halber Strecke wollten Claudia und ich auslassen, da es nur eine weitere kalte Nacht in großer Höhe bedeuten würde.

Seufzend übernahm ich schließlich den großen Rucksack von Amador, welcher die ca. 25 kg an Ausrüstung keuchend bis hierher geschafft hatte. Am Gletscher gab es natürlich wieder einen gut ausgetretenen Pfad hinauf Richtung Hochlager, schließlich ist der Alpamayo einer der berühmtesten Berge überhaupt und dementsprechend viel bestiegen. Zum Ende des Aufstieges muss man eine 50 m hohe Steilstufe hinauf zum Sattel überwinden, an der wir das erste Mal beide Eisgeräte benützen mussten. Von hier ergibt sich ein Erster Blick auf das Hochlager und die SW Flanke des Alpamayo.

Etwas erschreckt stellte ich fest, dass in dieser Saison scheinbar nur die längere und steilere Franzosenroute als Aufstiegsrinne geklettert wird. Positiv war aber, dass scheinbar nur recht wenige Personen den Berg belagerten und die Gefahr des Eisschlages deshalb geringer sein sollte. Bereits um 11:30 begannen wir unseren eigenen Lagerplatz im Schnee mit Händen und Füßen auszubuddeln. Das Zelt wurde mit den selbstgeschnitzten Hölzchen in Form von „Hombritos muertes“ (kleine tote Männer) verankert. Den Nachmittag verbrachten wir mit Schnee schmelzen, Kletterer beobachten und essen.

Ist es untertags am Gletscher fast unerträglich heiß, fallen die Temperaturen nach Sonnenuntergang rapide ab. Nun war ich froh eine Wärmeweste mitgenommen zu haben, denn aus Gewichtsgründen hatten wir nur einen Schlafsack und eine Isomatte dabei.

Das Zittern hatte aber bald ein Ende, denn bereits um 1 Uhr Nachts begannen wir mit dem Frühstück kochen im Zelt. Kurz vor zwei brachen wir trotz einschüchternd kaltem Wind zeitgleich mit sieben anderen Gipfelaspiranten auf. Da gerade Neumond war, gaben unsere Stirnlampen wirklich das einzige Licht. Das ist aber nur zum Teil wahr, denn Claudias Lampe hatte ausgerechnet heute einen Wackelkontakt.

Am Einstieg in die Flanke kam das erste Mal ein Firnanker zum Einsatz und ich fand eine schonendere Variante den Bergschrund zu überwinden. Die anschließenden ersten 150 m der Rinne bestehen hauptsächlich aus steilem, aber kompaktem Schnee, der sich immer gut mit Firnankern absichern lässt. Danach wird die Rinne steiler und es wird Zeit die mitgebrachten Eisschrauben einzusetzen.

Bei eisiger Kälte froren und tauten abwechselnd Finger und Zehen. Wir konnten immer relativ knapp hinter den anderen Bergsteigern bleiben, was die gelegentlich herabstürzenden Eisbrocken weniger schmerzhaft machte. Nur nicht zu viel nach oben schauen! Immer wieder fanden wir in der Dunkelheit Eissanduhren, welche als solide Zwischensicherungen dienten. Vier Seillängen vor dem Gipfel begann es endlich zu dämmern und wir konnten das erste Mal den Tiefblick in die Rinne „genießen“.

Um halb neun standen Claudia und ich dann ganz alleine am unerwartet breiten (2×2 m), aber dennoch sehr exponierten, Gipfel und ließen unsere Freudenschreie los! Wir hatten es geschafft! Detail am Rande: Claudia ist gerade durch ihre erste Eiswand geklettert!

Der Abstieg erfolgt über den gleichen Weg wie der Aufstieg, was bedeutet, dass man viel abseilen muss. Wir hatten das große Glück, dass ein peruanischer Bergführer gerade damit begonnen hatte die Route mit 100 m langen Fixseilen einzurichten und uns am Gipfel anbot diese zum Abseilen zu benützen. Auf diese Weise konnten wir die ersten 2/3 des Abstieges sehr schnell bewältigen, ehe wir doch mit den eigenen Seilen weiter abseilen mussten.

Gegen 11:00 waren wir zurück am Zelt, kochten uns was zu essen und brachen dann Richtung Basislager auf. Die wieder glühende Hitze am Gegenanstieg zum Sattel, die Warteschlange am dortigen Abseilstand und der extrem schwere Rucksack setzten uns ganz nett zu. Nach insgesamt 15 Stunden auf den Beinen errichteten wir am Abend wieder unser Basislager und schliefen nach einer kleinen Jause und einer Flasche Siegesbier schnell ein.

Wie schon beim Anmarsch verbrachten wir von Samstag auf Sonntag eine weitere Nacht in Llamacorral, ehe wir schließlich müde, aber überglücklich nach Cashapampa zurückkehrten. Ein am gleichen Tag 150 m weit abgestürztes Auto erinnerte uns bei der Collectivofahrt zurück nach Caraz wieder daran, dass Autofahren in Peru mindestens gleich gefährlich ist, wie das Bergsteigen…

Nun genießen wir noch ein paar gemütliche Tage in Caraz und auf dem Weg nach Lima. Mit diesem bergsteigerischen Highlight beenden wir unseren Reiseblog und bedanken uns bei euch für euer Interesse und lieben Kommentare! Bis bald daheim!

1 Kommentar zu „Alpamayo (5947 m) – Franzosenroute: D+, 50 – 70 Grad, ca. 600 m“

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