Wer mich kennt weiß, wie viel mir die „Nose“ Route am El Capitan bedeutet. Bereits zum fünften Mal lockte mich dieser gigantische Granit Monolith ins sonnige Kalifornien, doch ein Durchstieg war mir noch nicht gegönnt. Viel Pech, zu warmes Wetter, zu schlechtes Wetter, aber auch ungenügende Vorbereitung machten mir bisher einen Strich durch die Rechnung. Dieses Mal sollte alles anders werden: Mit Thomas Rabl, einem Kollegen aus der Bergführer-Ausbildungszeit, starteten wir bereits 2 Tage nach unserer Ankunft in den USA in die Wand der Wände. Und dieses Mal durfte ich nach 7 Jahren und 3,5 Klettertagen endlich den obersten Eintrag auf meiner alpinen ToDo-Liste abhaken!

Tom und ich staunten nicht schlecht, als wir sahen, dass trotz bestem Wetter nur relativ wenige Kletterer im Camp4 anzutreffen waren. Auch am El Capitan konnten wir nur vereinzelt Big Waller durch unser Fernglas erkennen. Da selbst die Nose – ihres Zeichens wohl berühmteste Kletterroute der Welt – nahezu vereinsamt war, kamen wir schnell zum Entschluss schon übermorgen einzusteigen. Eines war uns von Anfang an klar: Viel freiklettern werden wir am El Capitan nicht können was zur Folge hat, dass man sich nur sehr langsam mittels technischer Kletterei fortbewegt. Das Problem mit dem „Langsam sein“ ist, dass man dadurch auch mehr Verpflegung mitnehmen muss. Mehr Verpflegung bedeutet mehr Gewicht und somit noch langsamer werden… Diesen Teufelskreis kann man auch kurz mit dem Begriff „Haul Bag“ (oft auch weniger liebevoll „Pig“ oder „Tumor“ genannt) beschreiben. In diesem Haul Bag zieht man all das die Wand hoch, was man eben glaubt mitbringen zu müssen. In unserem Fall waren das im Wesentlichen 3 Liter Wasser pro Person pro Tag, etwas Trockennahrung, Nüsse und Energieriegel für zwischendurch und eine kleine Biwakausrüstung.

Die meisten Kletterer verbringen den ersten Tag damit den Haul Bag bis zur Sickle Ledge am Ende der vierten Seillänge zu schaffen. Anschließend werden Fixseile zum Boden verlegt und erst nach einer oder mehreren Nächten im Tal wird dann an diesen Seilen aufgestiegen und die restliche Route in Angriff genommen. Diese Taktik verschafft einem einen Startvorsprung und ermöglicht es in nur 10 Seillängen bis zum El Cap Tower zu klettern. Tom und ich wollten diese Expeditionstaktik aber vermeiden und verzichteten auf den Startvorsprung. Die Nose ist in der unteren Hälfte der Route von Auf- bis Untergang voll in der Sonne, was uns bei Lufttemperaturen von etwa 30 Grad schnell zu schaffen machte. Zudem reflektiert der glatte Granit die Sonnenstrahlen und man fühlt sich, als klettert man an einem Brennspiegel. Bald wurde uns klar, dass 3 Liter Wasser pro Person hart an der unteren Grenze des vertretbaren sind. Als wir den Stoveleg Crack erreichten frischte der Wind etwas auf, was wir anfangs noch als angenehme Abkühlung empfanden. Schon kurze Zeit später wurde aus dem angenehmen Lüftchen aber ein kleiner Sturm, der uns unsere Energie sprichwörtlich fortzublasen schien. Dennoch erreichten wir bei Einsetzen der Dunkelheit einen perfekten Biwakplatz am Dolt Tower – wir hatten heute immerhin 11 Seillängen plus Vorbau geschafft.

Völlig dehydriert war uns klar, dass wir morgen einen etwas gemütlicheren Tag machen müssen. Als wir bereits nach den ersten beiden Seillängen des zweiten Tages gegen Krämpfe und am Gaumen klebende Zungen kämpfen mussten beschlossen wir die Abkürzung über die Jardine Traverse zu nehmen. Damit spart man sich zwar nur wenige Klettermeter, aber den zeitintensiven King Swing. Wir waren froh, als wir am frühen Abend das sogenannte „Camp 4“ unterhalb des Great Roofs erreichten und noch genügend Tageslicht zum kochen und ein bisschen relaxen hatten. Froh waren wir auch über die Idee leichte Hängematten mitzunehmen, welche den ansonsten abschüssigen Felsvorsprung in eine (fast) angenehme Sache verwandelten.

Bereits die zweite Seillänge am dritten Tag führte uns unter eine der spektakulärsten Stellen der ganzen Tour: das Great Roof. Mit unzähligen kleinen Stoppern und Friend arbeitete sich Tom unter dem gewaltigen Dach entlang. Ab hier wird es deutlich steiler, was sich in erster Linie durch leichteres HaulBag ziehen positiv bemerkbar macht. Von nun an geht es Schlag auf Schlag was berühmte Seillängen betrifft: Pancake Flake, Camp V, Glowering Spot und Camp 6. Obwohl uns am Nachmittag nur noch 5 Seillängen vom Ausstieg trennten fassten Tom und ich den Entschluss eine dritte Nacht in der Wand zu verbringen da wir die letzten, wahnsinnig exponierten, Seillängen unbedingt bei gutem (Foto-)Licht genießen wollten. Das Camp 6 ist auf den ersten Blick ein perfekter Biwakplatz, doch leider erschwert einem ein 20 cm breiter Spalt, der sich rund um den Felsvorsprung zieht das Leben. Während wir es uns hier bequem zu machen versuchten überholten uns zwei Mexikaner, welche eine NIAD Begehung anstrebten. NIAD steht für „Nose In A Day“ und bedeutet, dass die ganze Route eben an einem Tag geklettert wird. Das Angebot uns ebenfalls mit ihrem reichlich vorhandenen Marihuana zu „dopen“ lehnten wir dankend ab und bewunderten ihre gefährliche Taktik des „short fixings“. Als das seltsame Treiben vorüber war startete ich ebenfalls in die Länge oberhalb des Camp 6 um diese Länge für den nächsten Tag vorzubereiten. Es handelt sich dabei um die sogenannte „Changing Corners“ Länge und ist laut Lynn Hill die Schlüssellänge zum Freiklettern. Da ich weder den von ihr an dieser Stelle kreierten Kletterzug „Houdini“, noch Risskletterei im oberen 10 Schwierigkeitsgrad beherrsche, folgte für mich eine weitere technische Länge. Im oberen Drittel wechselt man, wie der Name verrät, von einer Verschneidung in die nächste und plötzlich erblickt man mit Schaudern den eigenen Seilverlauf: direkt über eine messerscharfe Kante! Zufrieden machte ich am Standplatz Feierabend und seilte mich über das überhängende Terrain zurück zu Tom auf unserer Ledge.

Den vierten Tag konnten wir dann so richtig genießen: Man weiß, dass man es fast geschafft hat und der Ausblick – oder besser gesagt der Tiefblick – ist einfach unbeschreiblich! Die Letzte Seillänge ist zwar „nur“ noch eine Bohrhakenleiter, aber dafür hängt diese ordentlich über. Gegen Mittag ertönten schließlich laute Freudenschreie vom Ausstieg der Nose, welche bestimmt bis hinunter in die 1000 m tiefer liegenden El Cap Meadows zu hören waren. Wir hatten es geschafft!

Nach einem anstrengenden Abstieg, einer riesigen Pizza am Abend und geschätzten 50 Liter Getränke fanden wir uns an einem der nächsten Tage wieder in den El Cap Meadows wieder um die obligatorischen „Poser-Fotos“ vor unserem Captain zu machen.

Das große Projekt des Urlaubs schon in den ersten Tagen abhaken zu können stellte uns anschließend fast vor ein Problem: Was nun? Zu einer weiteren Big Wall konnten wir uns nicht aufraffen, was folgte waren klassische mehrseillängen Routen zum Freiklettern. Die letzte Woche verbrachten wir in den Red Rocks bei Las Vegas. Die gewaltigen Sandsteinwände nahe „Sin City“ sind einfach zum klettern gemacht und bieten die schönsten Freikletterrouten die ich kenne. Nach 3 Wochen und laut Topo 142 gekletterten Seillängen hatten wir uns am letzten Abend feiern in Vegas verdient. Und das haben wir… richtig…

Hier unsere Ausbeute:

YOSEMITE

  • El Capitan – The Nose (VI Big Wall, 5.9 C1) – Top 50 Climb in the USA
  • Middle Cathedral – East Buttress (5.10 c) – Top 50 Climb of the USA
  • Half Dome – Snake Dike (5.7 R)
  • Royal Arches und Crest Jewel am Noth Dome – linkup (5.8 und 5.10 a) – 26 Seillängen – Top 50 Climb of the USA
  • Fairview Dome – Regular Route (5.9) – Top 50 Climb of the USA

RED ROCKS

  • Crimson Chrysalis (5.8)
  • Frogland Buttress (5.8)
  • Levitation 29 (5.11 c)
  • Epinephrine (5.9)
  • Sportklettern Calico Basin

Tom führte auf seiner Website einen kleinen Reiseblog, der ein paar nette Einträge enthält:

http://www.pure-mountain.at

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