Aus beruflichen Gründen verschlägt es mich regelmäßig ins Ötztal. Jedes Mal wenn ich talauswärts an Tumpen vorbei fahre wandert mein Blick unweigerlich auf die großen Platten der Habicher Wand. Ein paar schwere Kletterrouten führen durch diese glatte und abweisend wirkende Wand. Erstbestiegen wurden sie von bekannten Namen der Tiroler Kletterszene, allen voran Reinhard Schiestl und Darshano Luggi Rieser. Die neueste Route wurde von Hansjörg Auer und Thomas Scheiber im Jahre 2006 erschlossen.

Die Routennamen wie „Teufelsküche“ oder „Kreuzzug“ sind bereits schon abschreckend, doch ein Blick auf die aktiven Ausbruchsflächen diverser Felsstürze macht jegliche Kletterwünsche meinerseits endgültig den Garaus. Schön dass man seine Angst hinter geologischem Fachwissen verstecken kann…

Wenn mir für die „richtigen“ Routen an der Habicher Wand schon der Mut fehlte, dann wollte ich wenigstens versuchen den Berg direkt an der Kante zu besteigen. Außerdem könnte man auf diese Weise den Acherkogel quasi von seiner Zehenspitze aus erklettern – über den „integralen W-Grat“ sozusagen.

Davon, dass es ein abenteuerliches Unterfangen wird bin ich schon im Vorfeld ausgegangen, aber mit einer nahezu epischen 16 stündigen Ausdauerschlacht gegen Fels und Grünzeugs hatte ich nicht gerechnet. Lukas scheinbar auch nicht. Sonst wäre er wohl nicht sofort für dieses Projekt zu begeistern gewesen.

Um 6 Uhr früh verließen wir das Auto in Tumpen und suchten uns einen geeigneten Weg auf den, im unteren Teil noch breiten, Rücken der W-Grates. Wir kamen erstaunlich schnell voran und hatten das Glück einen relativ einfachen Zustieg durch den felsdursetzten Wald zu finden. Bis zur Gratschulter, nach der es deutlich steiler wird, liegen die Schwierigkeiten im Bereich I bis II.

Dann ging es aber erst so richtig los. Konnten wir die erste Seillänge noch „am laufenden Seil“ auf ca. 80 m ausdehnen, so wurde unser Tempo durch den ersten richtigen Felsriegel abrupt auf ein Minimum reduziert. Da man den senkrechten oder sogar leicht überhängenden Fels aufgrund der außergewöhnlich dichten Bedeckung durch Moos, Flechten, Wacholderstauden, Graspolstern und diversen anderen biologisch abbaubaren Materialien kaum zu Gesicht bekommt, waren meine Freikletterambitionen bald verflogen. Gottseidank hatten wir genügend Friends, Keile und Normalhaken dabei und so werkelte ich mich ganz im BigWall-Techno-Stil höher.

Die Schwierigen Passagen im Fels werden durch subvertikale Wiesen und Wald abgelöst, doch auf wundersame Weise fanden wir immer einen Ausweg aus dem grünen Labyrinth. Immer wieder staunt man auch über kurze aber dennoch schöne Kletterpassagen, so zum Beispiel über den ausgesetzten und luftigen Turm in der 3. Seillänge, oder den spitzen Block in der sechsten.

Nach 8 Seillängen hat man die „Headwall“ hinter sich und erreicht bald eine Lichtung direkt an der Kante mit schöner Aussicht Richtung Süden ins Ötztal. Leider sieht man von hier aus schon, was einen für die nächsten 300 Höhenmeter keuchend und fluchend beschäftigen wird: ein fast unüberwindbarer Latschen-Dschungel. Lucky, der gerade noch meinte er könne nach dieser Route auch freihängenden Efeu onsight besteigen ruinierte in diesem Abschnitt endgültig Hose und T-Shirt.

Komplett zerschunden erreichten wir dennoch das Gipfelkreuz der Habicher Wand. Das Gipfelbuch beweist, dass es nur sehr wenige Menschen an diesen Ort verschlägt – vielleicht weil sogar der „Normalweg“ von der Achplatte herunter ziemlich mit Latschen zugewachsen ist.

Wir entschlossen uns auf der Achplatte (hier könnte man auch über einen Steig zur Bielefelder Hütte gelangen) unser Projekt „Integraler W-Grat“ fortzusetzen und stiegen weiter auf in Richtung Acherkogel. Der größtenteils schöne Blockgrat bietet dann noch die ein paar recht schwierige Kletterstellen (IV+) wobei mir vor allem die steile Rampe kurz vor dem Gipfel gefiel. Gegen 19 Uhr standen wir ziemlich erschöpft am Gipfelkreuz.

Über die N-Flanke stiegen wir ins Mittertal ab, ehe wir im Licht unserer Stirnlampen am Speichersee in Kühtai von Alexandra abgeholt wurden. Danke dafür und großen Dank auch an Lucky, dass er mich immer wieder bei meinen Spinnereien begleitet..!

PS: Hier gibt es das Gipfelbuch der Habicher Wand als PDF.

Tipps für Wiederholer (als ob das wirklich jemand wiederholen möchte…):

  • TOPO downloaden (PDF, 150KB)
  • Google Earth Track: KML downloaden (rechte Maustaste > Ziel speichern unter, evtl. Dateiendung auf „.kml“ ändern)
  • Die älteste Kleidung anziehen um Sachschäden gering zu halten.
  • Daheim als Training an der Gartenhecke bouldern.
  • Hammer und ein gutes Hakensortiment mitnehmen.
  • Wir hatten ein Set Camalots der Größen #0,4 (grau) bis #3 (blau) dabei und haben auch alle gebraucht. Zusätzlich ein Satz Keile.

 

1 Kommentar zu „Acherkogel W-Grat Integral (IV+/V-, A2) – Eine botanische Expedition für Abenteurer“

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