Es gibt wohl nicht viele Kletterpartner die man zu solchen Touren überreden kann, aber bei Gerhard dauerte es gar nicht lange, bis er seine Bergell-Wünsche fürs Wochenende begraben hatte, und wir zusammen Richtung Civetta aufbrachen.

Nach der Herzogkante ganz gut im Bruchklettermodus eingestellt war ich überzeugt dass dieses Wochenende wohl die letzte Gelegenheit im Jahrhundertsommer 2015 sein wird um in diese riesige, schattseitige Wand einzusteigen. Die „Haustür-Haustür“ Taktik wurde gegen die „Auto-Auto“ Taktik eingetauscht und so schliefen Gerhard und ich in seinem Bus oberhalb von Palafavera.

Um 3:00 Uhr früh stiegen wir dann zur Coldai-Hütte auf und querten schließlich unter die riesigen NW-Wände. Es war zwar eine Vollmondnacht, aber im Schatten der Civetta bringt das leider auch nicht viel und so gestaltete sich die Suche nach dem Einstieg zur ersten Herausforderung. Haarscharf ging es sich schließlich aus, dass wir um 6:00 Uhr die erste Seilschaft am Einstieg waren. Hinter uns war eine osteuropäische Seilschaft dementsprechend enttäuscht, denn wer will in einer solchen rustikalen Route schon jemanden ober sich haben. Nach ein oder zwei Seillängen ließen es die beiden dann ohnehin bleiben.

Wir brauchten 13 Stunden reine Kletterzeit und standen so um 19:00 Uhr auf der Gratschulter. Wir entschlossen uns für die Gipfelüberschreitung und kamen so zum unvergesslichen Erlebnis bei Sonnenuntergang auf einem der höchsten Dolomitengipfel zu stehen. Es folgte ein endloser Abstieg hinunter bis zum Auto, das wir nach 20 Stunden Gesamtzeit um 23:00 Uhr erreichten.

Danke Gerhard dass auf dich bei solchen Unternehmungen immer Verlass ist!

 

Die markantesten Stellen der Tour:

Ich beziehe mich bei den Angaben zu den Seilängen auf das Topo welches auf www.frank-nebbe.de heruntergeladen werden kann. Ab dem Mittelteil stimmt dieses zwar mit unserer Linie abschnittsweise nicht genau überein, aber ich werde versuchen diese Abweichungen in der folgenden Beschreibung zu berücksichtigen.

SL 1-6: Man folgt einer relativ offensichtlichen Linie von Rinnen, Rissen und Verschneidungen, stetig linkshaltend, in Richtung der riesigen Verschneidung welche einschüchternd ober einen wartet. SL 5 und 6 lassen sich problemlos zusammenhängen. Zwischenhaken gibt es nicht viele, dafür kann man aber gut selber absichern und die Standplätze mit Normalhaken, Bandschlingen und Kettengliedern machen auch einen recht soliden Eindruck.

SL 7: Eine der schönsten Kletterstellen der Tour! Vom bequemen Stand am Pfeilerkopf auf gleicher Höhe zur glatten Wand links der Verschneidung queren. Hier, über links ausholend ziemlich, gewagt über die glatte Wand bzw. die Risse hoch und dann wieder nach rechts queren zum nächsten Stand.

SL 8-11: Dem leichtesten Weg (meist in der kaminartigen Verschneidung oder etwas rechts davon) folgen. Es gibt mehrere kurze überhängende Bäuche die festes Zupacken erfordern. Stand unter einer markanten gelben Nische, weiter rechts gibt es einen weiteren Stand, ich vermute von einer anderen Route.

SL 11-14: Der großen Verschneidung folgen, wobei einmal auch in der Platte links davon geklettert werden muss. Diese löst sich aber ebenso gut auf wie die darauffolgenden Kamine. Die Kaminlänge 14 war bei uns zu Beginn sehr nass und endet dann in einer leicht überhängenden grasigen Verschneidung. Hier stellten wir das erste Mal auf A0 um…

SL 15: Das Schuppendach! Diese ist wohl die schönste Länge der ganzen Tour, dabei sieht das Dach auch wieder schwerer aus als es ist. Neben den Normalhaken schluckt die Schuppe auch den einen oder anderen Friend, was die exponierte Querung auch für den Nachsteiger fast zum Genuss werden lässt. Nerven bewahren hieß es für Gerhard von der Dachkante bis zum Stand: Für etwa 10 Meter gibt es hier keine Absicherung, dafür riesige, solide Henkel.

SL 16: Unerwartet steile Wand- und Risskletterei. Es stecken ziemlich viele Haken und so lassen sich die schwierigsten Passagen mit A0 entschärfen. Bequemer Stand unter einem breiten, nischenhaften Überhang.

SL17: Cooler Quergang nach links. Gerhard ist vom Stand links am kleinen Überhang vorbei. Zum Schluss der Länge muss man sich dann doch leicht überhängend im gelben Fels nach oben handeln, ehe man wieder ca. 4 m zum Stand auf einem Pfeiler abklettert.

SL 18: Größtenteils A0 über eine leicht überhängende Wand. Oben linkshaltend in die große Rinne – sehr bequemer Stand.

SL 19-21: Hier weicht unsere Linie vom Topo ab. Wir sind nicht der großen Rinne gefolgt, sondern rechtshaltend über gestuftes Gelände hinauf. Seillänge 20 war dann eine der schwersten Längen der Tour, zum Glück aber recht gut mit Normalhaken abgesichert. Hier gilt es eine steile, eher brüchige Wandstelle zwischen überhängenden Nischen hinter sich zu bringen. Stand in einer weiteren Nische. Der brüchige Überhang darüber (hier stecken 2 Normalhaken) kann bequem rechts ums Eck umgangen werden. Gleich oberhalb des brüchigen Überhangs über eine Platte nach links Queren und schließlich einem Rampensystem zurück bis in die tiefe, riesige Hauptschlucht folgen.

SL 22-25: Immer in der riesigen Schlucht bzw. den furchteinflößenden Kaminen bleiben! Eine Reihe Normalhaken die über die orografisch linke Schluchtwand hinauf zieht ignorieren. Aus dem Bereich des 25. Standplatzes hängen Halbseile frei baumelnd in der Luft – ein etwas unheimliches Ambiente. Am Ende der 24. Seillänge gibt es einen sehr bequemen Biwakplatz.

SL 26: Über gefährlich nasse und rutschige Wandstelle zur Verschneidung hoch, bzw. etwas links davon zum nächsten Stand klettern.

SL 27: Eine der schlechteren Seillängen der Route… Zuerst nass der Verschneidung folgen. Dann über links ausholen (den dortigen Haken zwecks Seilzug besser nicht einhängen) und dann sehr gewagt nach rechts leicht überhängend aus der Verschneidung hinausqueren (mehrere Haken). Man befindet sich nun im ziemlich brüchigen Gelände. Stand nahe eines ca. 1 Kubikmeter großen, wackeligen Blocks. Behutsam mit diesem Gebilde umgehen!

SL 28: Beim Block nach rechts queren und dann über einen Überhang in leichteres Gelände der riesigen Schlucht hinaufklettern. Durchatmen.

SL 29: Hier stimmt das Topo unserer Meinung wieder nicht ganz. Man muss tatsächlich in den riesigen Kamin der Hauptschlucht klettern (ganz oben sieht man ein Seilstück hängen). Bis dorthin gilt es eine sehr brüchige Passage zu überwinden. Ein Camalot Nr. 3 (blau) entschärft diese ungemein. Stand im Inneren des Riesenkamins.

SL 30: Vielleicht die Schlüssellänge. Den gar nicht einfachen, verdreckten Kamin hinauf und an seiner schmälsten Stelle hinaus ins Freie. Hier beginnt dann auch bald eine sehr ausgesetzte Querung nach links, welche größtenteils A0 geklettert werden kann. Dem Balkon nach links bis zu einem recht guten Standplatz folgen. Exzellente Fotos des Nachsteigers wenn man, so wie wir, SL 29 und 30 zusammenhängt.

SL 31: Wieder eine objektiv sehr gefährliche Länge: Vom Stand über leicht überhängende unsicher wirkende Blöcke bis zu einem Überhang (Schlinge). Anstrengend über diesen Überhang hinaufklettern. Ende der Hauptschwierigkeiten.

SL 32: Mit einer 100 m Länge zuerst über Platten und dann links um die Kante herum zur Gratschulter queren. Die letzten Meter führen – wie könnte es anders sein – durch einen gefährlichen frischen Felsausbruch mit unsicherem Blockwerk. Dafür ist es hier aber nicht mehr steil.

 

Tipps und Tricks:

1 Kommentar zu „Civetta NW-Wand – „Philipp-Flamm“ (VI A0, 800 Hm, ca. 1.100 Klettermeter)“

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