21 Stunden auf den Beinen: Die Herzogkante in meinem Lieblingsstil „Haustür-Haustür“. Um 2:00 Uhr in der Nacht brechen Claudia und ich in Birgitz auf um diesen ganz großen Karwendelklassiker zu besuchen. Mittlerweile einigermaßen munter verlassen wir ca. um 4:00 Uhr das Auto am Parkplatz in der Eng und beginnen mit dem Zustieg zur Kante. Noch im Dunkeln queren wir unter den riesigen Felswänden von Laliderer- und Dreizinkenspitze in Richtung Spielissjoch. In der Dämmerung konnten wir nun langsam die Dimensionen dieser beeindruckenden Nordwände erahnen.

Da wir es nicht besser wussten stiegen wir vom Joch weglos direkt zum Beginn der Kante hinauf – westlich der frischen Murrinne würde es aber einen besseren Steig geben. Schon ein Stück unterhalb des großen Schneefeldes wurde uns langsam bewusst, dass dieser „Minigletscher“ ein Problem werden könnte. Wir hatten zwar unsere ultraleichten Pickel dabei, aber zum Stufenschlagen war das Schneefeld doch unerwartet groß, steil und vor allem pickelhart gefroren. Was tun? Zuerst versuchte ich, mit mulmigen Gefühl, einen Weg durch das gletschermaulartige Loch zu suchen. Dieser Versuch endete aber im schuttbedeckten 4. Grad und ich war froh einen passenden Haken schlagen zu können um wieder heil zurück zu Claudia zu gelangen. Von unten gab es also keine Zustiegsmöglichkeit.

Plan B war das Umgehen des Schneefeldes an seiner rechten (orografisch linken) Seite, zwischen Eis und Fels. Hier war gerade ein Solokletterer (?) am Werken den wir gespensterhafterweise nur dort sahen aber dann verschwunden war. Wir kamen hier im losen Schotter einigermaßen gut voran, mussten aber auch am oberen Ende des Schneefelds feststellen, dass der einzige Weg zur Einstiegsrampe über das Schneefeld führt.

Bald fand ich aber eine Lösung für unser Dilemma: ich konnte einen soliden Drehmomenthaken mit Ring in einen Riss oberhalb der Schneefeldmitte hämmern. Nun konnten wir uns, eingehängt im Abseilgerät, an der Eiskante entlang nach links handeln und schließlich, links querend, bequem über das Schneefeld abseilen. Mit 55m Halbseilen gelangt man so perfekt zum Einstiegsband.

Rückblickend betrachtet war dies bestimmt die sicherste Lösung, weil in der Mitte des Schneefelds in der Hitze dieses Sommers ebenfalls ein großes Loch entstanden war, welches eine ungesicherte Querung oberhalb (auch mit Steigeisen) ziemlich gefährlich machen würde.

Um 7:30 Uhr begannen wir schließlich mit der eigentlichen Route. Die Routenfindung ist gerade am Beginn nicht immer ganz einfach, aber die Beschreibung auf dieser Website www.sirdar.de ist hier eine große Hilfe.

Wir waren erstaunt über die meist akzeptable Felsqualität und über die Absicherung. Es lassen sich sehr viele verlässliche Friends platzieren und an den schwierigeren Stellen, vor allem im oberen Teil, stecken auch recht viele Normalhaken. An manchen Standplätzen, und ganz vereinzelt auch als Zwischensicherung, findet man Bohrhaken, welche zwar umgebogen wurden, aber dennoch verwendet werden können.

Die oberen 2/3 der Tour verlaufen die meiste Zeit direkt an der Kante, was wirklich spektakuläre Einblicke in die Nordwand zulässt. Außerdem hat diese Linienführung den Vorteil, dass die Nachsteigerin meist vor Steinschlag sicher ist.

Nicht zu unterschätzen sind die klettertechnischen Schwierigkeiten der Route. Auf 22 Seillängen wird es selten leichter als IV und die schwierigeren Seillängen halten den Grad oft über die gesamte Seillänge aufrecht! Solides Vorsteigen in wechselhafter Felsqualität im klassischen V. Grad ist unbedingt erforderlich!

Um 14:30 Uhr, also nach 7 Stunden Kletterzeit standen Claudia und ich am Gipfel der Laliderer Spitze. Uns war bewusst, dass dies noch lange nicht das Ende der Tour bedeutet und so stiegen wir gleich ab zur Biwakschachtel. Dort machten es sich bereits geschätzte 8 Wanderer gemütlich – diese Biwakschachtel wird offenbar mit einer Berghütte verwechselt. Ich stelle mir vor man erreicht die Schachtel am späten Abend nachdem man eine finstere Nordwandroute hinter sich gebracht hat und dann kann man sich ein Plätzchen unterm Tisch erkämpfen, weil das Biwak spaßhalber voller fideler Wanderer ist… Wir verweilten nicht lange und stiegen zuerst über den markierten Weg, dann weglos, zum großen verkarsteten Karboden ab.

Von hier muss man anschließend wieder ca. 150 Hm aufsteigen um zum Einstieg in die berühmt-berüchtigte Spindlerschlucht zu gelangen (siehe Foto). Am Einstieg in die Schlucht steht ein großer, bemalter Felsblock und gleich dahinter findet man an der orografisch rechten Schluchtwand einen soliden einzementierten Abseilring.

Abstieg Spindlerschlucht:

Nach einem ersten 25m Abseiler befindet sich der nächste Abseilring wieder auf der orografisch rechten Felswand (links sind viele Spraydosen-Markierungen und ich suchte anfangs vergebens auf dieser Seite). Es folgen viele kurze 25m Abseiler, dazwischen muss man aber auch ab und zu frei im zweiten Grad abklettern. Sichern am kurzen Seil gestaltet sich wegen des vielen losen Schutts und wegen fehlender Felsköpfe schwierig – es gilt also die oberste Regel: „nicht stolpern!“.

Im oberen Teil finden sich wirklich sehr viele Markierungen und wenn man die Augen offen hält auch viele Abseilgelegenheiten (z.T. auch nur ein einzelner Normalhaken…). Tendenziell hält man sich hier immer nach orografisch links. Irgendwann erreicht man eine große bachbettartige Verschneidung am orografisch linken Rand der Schlucht. Etwas rechts davon absteigen bis zu einem Abseilstand (mehrere Schlingen) vor einer auffälligen Erhebung mit Steinmann.

Ab hier werden die Markierungen deutlich weniger. Wir sind hier 2×55 m, weiterhin linkshaltend, abgeseilt. Der zweite Abseilstand war ein massiver Stahlstift der etwas außerhalb der Fallinie steckte. Schließlich befindet man sich am Ende der „bachbettartigen Verschneidung/Rinne“ und es gibt eigentlich eh nur noch eine Möglichkeit: eine sehr exponierte Querung nach orografisch rechts (viele Markierungen aber keine Zwischensicherungen). Hier hängt auch ein massives altes Stahlseil in der Wand – es sieht so aus als wollte hier jemand einen Klettersteig bauen.

Vom Ende des Quergangs im leichteren Gelände weiter nach rechts queren, stetig abfallend. Schließlich erreichten wir einen Felskopf mit zwei zurückgelassenen Halbseilen, welche einen luftigen Abseiler bis hinunter in die Schotterreise ermöglichten.

Insgesamt habe ich mir die Spindlerschlucht wilder vorgestellt, aber zu unterschätzen ist das Gelände definitiv nicht. Bei Nebel (selbiger hätte uns noch fast eingeholt) wird dieser Abstieg zur fast unlösbaren Herausforderung.

Um 18:30 Uhr, also genau 4 Stunden nach dem Laliderer-Gipfel, waren wir wieder am Spielissjoch angekommen. Es folgte ein ermüdender 2 stündiger Rückmarsch zum Auto beim Alpengasthof Eng. Nach einem kurzen Bosna-Stop in Kematen waren wir schließlich gegen 23 Uhr wieder daheim in Birgitz.

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