„Die Delagokante gehört sicherlich zu einer der meistbegangenen Kletterrouten der Alpen. […] Doch trotzdem bleibt es eine lohnende ausgesetzte Kantenkletterei auf Idealfels“ (Dolomiten Vertikal, 2010).

Tja… diese Beschreibung trifft aber leider nur auf die namensgleiche Route im Rosengarten zu – ganz anders sieht es mit der Delagokante in den Dolomiten Nordtirols aus: Dort erklomm der Herr Delago im Jahr 1899 (!) ebenfalls eine Kante, und zwar jene der nördlichen Schlicker Zinne. Von „Idealfels“ kann in dieser Route jedoch keine Rede sein, im Gegenteil! Selbst für Kalkkögel-Verhältnisse bezaubert diese Führe mit allerschlimmsten Schutt und Bruch. Gepaart mit der meist gar nicht vorhandenen Absicherung verdient sich die Delagokante in den Kalkkögeln meiner Meinung nach das Prädikat „extrem gefährlich“.

Da Claudia und ich davon aber nichts wussten, und eine Route von 1899 ja vermeintlich gar nicht schwer sein kann, stiegen wir, Top motiviert mit eiskalten Fingern, in die Route ein. Die spartanische Routenbeschreibung im Orgler-Führer lässt auf einfache und schnelle Fortbewegung schließen, aber schon am Start der ersten Seillänge wurde uns ganz schnell klar, dass das heute eine todernste Angelegenheit wird. Eigentlich hätte ich nach einem Griff-Ausbruch  im Mittelteil der ersten Seillänge die Notbremse ziehen sollen (einen Sturz konnte ich um Haaresbreite verhindern), aber in der Hoffnung das Schlimmste jetzt wahrscheinlich überstanden zu haben, kletterten wir weiter.

Nach weiteren 3 Genusslängen staunt man am Beginn der 5. Seillänge nicht schlecht über den weiteren Routenverlauf! Hier geht es über mehrere miese Haken senkrecht hinauf zu einem kleinen Felsband. Den ersten Haken konnte ich einfach so herausziehen, weshalb ich gleich einen neuen Normalhaken dazu hämmerte. Moralisch ohnehin schon geknickt arbeitete ich mich technisch Stück für Stück höher. Leider fand ich keine Möglichkeit einen Standplatz zu bauen, weshalb die Seillänge schlussendlich ziemlich lang wurde und einen miesen Seilverlauf aufwies. Irgendwann ging es deshalb einfach nicht mehr weiter, weshalb ich bei einem alten Haken einen zweiten dazuschlug und endlich einen Standplatz hatte. Das Seil konnte ich nur noch mittels Expressflaschenzug einziehen, wodurch ich Claudia nicht beim Aufstieg unterstützen konnte.

Nervlich nun noch mehr angeschlagen empfand ich auch die kommenden 4 Seillängen bis zum Gipfel alles andere als leicht. Das selbe gilt auch für die Routenfindung: So ganz sicher ob ich denn nun links, direkt auf, oder aber rechts der Kante bleiben sollte war ich mir eigentlich nie. Schlussendlich erreichten wir aber doch den Gipfel und machten uns sofort an den Abstieg. Mit einmal 55 m abseilen auf der NO-Seite (Köpfelschlinge) gelangt man in eine Schuttrinne, die zum Gsaller Steig führt. Via Hochtennspitze gelangten wir schließlich im Dunkel zurück zur Kemater Alm.

Tipps:

Rettet die Kalkkögel!

1 Kommentar zu „Nördliche Schlicker Zinne – Delagokante (ca. 350 Klettermeter, V, A1)“

  • […] Für Claudia war es die erste Kalkkögel-Route in der sie auch im Vorstieg am Weg war. Top motiviert kletterte sie in SL 2 gleich die steile, gerade Variante. In Wechselführung kamen wir zügig voran und standen bald an der Kante im leichten Ausstiegsgelände. Von hier ergeben sich gute Einblicke in die benachbarte „Delagokante“ an der nördlichen Zinne. […]

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